Schichtwesen

Das Schicht

Im 15. Jahrhundert wurde die Stadt Schwerte in 10 Unterbezirke gegliedert. Eine solche Nachbarschaft von ca. 30 Häusern bildete ein (das) Schicht.

Der Begriff ist sächlich, weil es sich um einen räumlichen Bezirk handelt (im Gegensatz z.B. die Arbeits- oder Gesteinsschicht). Heute ist ein Schichtgebiet viel größer.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden außerhalb der ehemaligen Stadtmauern neue Schichte gegründet; Das Schicht 11 war 1872 das erste.

Mitgliedschaft im Schicht

Heute ist man Nachbar in einem Schicht, weil man in der Regel in diesem Gebiet wohnt. Wegen Umzugs oder aus anderen Gründen kann man seit einigen Jahren jedoch auch Mitglied eines Schichtes sein, in dem man nicht wohnt.

Im Mittelalter wurde zwischen Erbnachbarn und Einwohnernachbarn (Mietern) unterschieden. Wer Hausbesitzer war und Erbnachbar werden wollte, mußte „winnen“, d.h. das Nachbarschaftsrecht erst gewinnen, und zwar bis ins 18. Jahrhundert durch die Spende einer Tonne Bier (114,5 Liter) oder später durch Zahlung einer bestimmten Geldsumme an die Schichtkasse.
Das Erbnachbarrecht galt für Mann und Frau sowie ihre Kinder lebenslang. Mieter gewannen das voll gültige Nachbarrecht jeweils durch Zahlung eines Betrags jährlich.

Ziel und Zweck der Schichte

Ziel und Zweck der Schichte ist es, die Bewohner der einzelnen Schichte über das eventuell Trennende der Religion, Politik und sozialen Stellung hinaus einander näher zu bringen, das Gemeinschaftsleben zu pflegen, miteinander zu feiern sowie Hilfe bei Not, Krankheit und Tod zu leisten; Man sprach vom „Notnachbarn“. Starb ein Mitglied der Nachbarschaft, sagte der Notnachbar den Tod an, Nachbarn bestellten die Leichenträger und veranlassten das Totenläuten.

Aufgabe der Schichte im Mittelalter waren vor allem:

  • Aufbringung von Steuern („Wachsgelder“, „Schatzungen“), die innerhalb eines Schichts erhoben und vom Schichtmeister (siehe dort) an die Stadt abgeführt wurden
  • Feuerschutz: Die Schichte hatten Feuerleitern und Feuerhaken sowie jeder Bürger einen ledernen Wassereimer bereitzuhalten
  • Wege, Gräben und Teiche in Ordnung halten, Bäume im Gemeindewald (Schwerter Wald) pflanzen sowie das Holz schlagen und verteilen
  • Wachdienste leisten.
  • Salz von der Staatlichen Saline in Unna holen
Im Mittelalter waren die Städte also quasi Verwaltungsbezirke mit unteren Verwaltungsaufgaben. Für deren ordnungsgemäße Durchführung war der ehrenamlich tätige Schichtmeister verantwortlich.

Im 17. Jahrhundert waren die Schichte gleichberechtigte Körperschaften neben Rat und Gilden. Die Schichte halfen zum Beispiel den Handwerkern beim Neubau des Daches von St. Viktor nach der dritten Feuersbrunst im 17. Jahrhundert in Schwerte am 19.02.1669, bei der auch etwa 100 Häuser stark beschädigt wurde.

Eine Schicht machen

„Eine Schicht machen“ bedeutet, Aufruhr gegen die Stadt machen. So erzwangen zum Beispiel im 14. Jahrhundert Aufrührer, die man „Schichtmacher“ nannte, das Recht, aus ihren Reihen zwei Vertreter (Hauptleute) in den Rat der Stadt wählen zu lassen (Vergleichbares gab es nur in Westhofen, Braunschweig und Minden).

Schichtabend

Schichtabend ist die Zusammenkunft der Nachbarn eines Schichts – ursprünglich Mitte Januar, heute von Januar bis März eines Jahres. Diese Zusammenkunft wurde auch Jahresschichtversammlung genannt. Früher trafen sich die (männlichen) Nachbarn und die Nachbarinnen getrennt an verschiedenen Abenden, seit Jahren grundsätzlich gemeinsam. Ausnahme: Schicht 6 (das sogenannte Herrenschicht, das 1972 seinen 250. Schichtabend feiern konnte).

Zweck:

  • Rechenschaftslegung des Schichtmeisters über die geleistete Arbeit des vergangenen Jahres
  • Fröhliches Beisammensein mit gemeinsamen Essen, Tanz und Programm; deshalb heute meist „Schichtfest“ genannt. Erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts kam die Sitte auf, ein vollständiges Abendessen einzunehmen; Früher gab es Freibier und ein „Zubrot“ von den neuen Erbnachbarn (siehe „Mitgliedschaft im Schicht“)

Die Teilnahme an der Jahresschichtversammlung war im Mittelalter für alle Nachbarn Pflicht. Unbegründetes Fernbleiben wurde bestraft. Auf anständige Kleidung und ordentliches Verhalten in der Versammlung wurde streng geachtet. Jeder wurde ohne Rücksicht auf Rang und Würden nur mit „Nachbar“ angeredet.

Schichtbuch

Schichtbuch ist eine Art „Protokollbuch“ eines Schichtes vor allen über die durchgeführten Schichtabende (siehe dort) und wichtige Ereignisse im abgelaufenen Jahr. Heute wird es teilweise auch als „Lose-Blatt-Sammlung“ geführt, und zwar in der Regel vom Schrift- führer oder Kassierer. Die ältesten vorhandenen Schichtbücher stammen aus dem Jahr 1715 (Schicht 8) und 1753 (Schicht 13). Die Bücher (Aufzeichnungen) von anderen „alten“ Schichten (z.B. 6 und 9) reichen bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts zurück.

Schichtsatzung

Viele Schichte haben sich eine eigene Satzung gegeben. So sind z.B. die Satzungen folgender Schichte aus dem in Klammern angegebenen Jahr bekannt: 3 (1860), 4 (1856), 10 (1866), 11 (1872), 14 (1880). In den Satzungen wurden u.A. das Schichtgebiet, die Pflichten /Aufgaben der Nachbarn, der Erwerb der Mitgliedschaft („Gewinngeld“), der Versammlungsmodus geregelt.

Das Oberschicht

Die beiden Schichtmeister sowie die/der Schriftführer/in und/oder Kassierer/in aller Schichte bilden die Vertretung im Oberschicht. Jedes Schicht ist durch drei Personen vertreten. Es wurde 1950 gegründet, und zwar auf Betreiben von Norbert Kaufhold, der der erste Oberschichtmeister wurde. 1981 wurde die Satzung des „Oberschichts der Schwerter Nachbarschaften“ neu gefaßt und danach noch einmal überarbeitet. Die Oberschicht wählt einen Vorstand für einen Zeitraum von fünf Jahren.

Ihm gehören an:

  • ein (e) Oberschichtmeister/in
  • ein (e) stellvertr. Oberschichtmeister/in
  • zwei Geschäftsführer
  • zwei Kassierer
  • fünf Beisitzer
  • Bürgermeister und Stadtdirektor sind geborene Mitglieder des Oberschichts

Neben dem Vorstand besteht ein „Ehren-Beirat“ mit beratender Stimme. Dessen (bis zu fünf) Mitglieder werden vom Vorstand auf Lebenszeit berufen. Es sollen Nachbarn sein, die sich um das Nachbarschafts- und Heimatwesen der Stadt Schwerte besonders verdient gemacht haben.

Aufgaben sind vor allem:

  • den Nachbarschafts- und Heimatgedanken und die Heimatkunde in der Stadt Schwerte pflegen und fördern
  • in der Denkmalpflege und bei der Erhaltung schützenswerter Häuser im Stadtgebiet sowie bei Straßenbenennungen mitwirken
  • die Belange aller Schichte vertreten und Nachbarschaftsauf- gaben der Schichte koordinieren
  • an dem Geschick der Stadt mitwirken (Bürgermeister Wengenroth 1957: Denn das sollte man nicht allein den gewählten Ratsvertretern oder dem Bürgermeister überlassen)
  • auf dem Gebiet der Städtepartnerschaft (Völkerverständigung) die Arbeit der Stadt unterstützen

Oberster Grundsatz der Arbeit des Oberschicht-Vorstandes ist partei-politische und religiöse Neutralität. Bis 1962 fanden einmal jährlich zu Martini (11.11) Arbeitsitzungen des Oberschichts statt (einschließlich Essen). Seit 1962 wird die kommunalpolitische Mitwirkung getrennt vom fröhlichen November- Beisammensein beim Jahresfest mit Essen, Tanz und Programm durch- geführt. Grundsatz ist, das die Programmgestaltung von den Schichten übernommen wird. Zur „Frage- und Ausprachestunde des Rates und der Verwaltung der Stadt Schwerte“ mit dem Vorstand des Oberschichts und gegebenenfalls einigen Schichtmeistern und Nachbarn werden vom Oberschicht Wünsche und Anregungen in kommunalpolitischen Angelegen- heiten vorgetragen und gemeinsam beraten.

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